Mach’s gut, Holler! Wir wissen, was wir Dir zu verdanken haben!
Da stand er nun, hoch droben über den Dächern seiner Heimatstadt Würzburg, und in seiner Stimme war der Brustton der Überzeugung keineswegs zu überhören. „Ich“, sagte Bernd Hollerbach Anfang 2014, „musste aus Würzburg weggehen, um Profifußball zu spielen. Wir wollen den Profifußball nach Würzburg holen.“
Damals, es war kalt und die Dächer schneebedeckt, stand noch nicht fest, dass er es tatsächlich schaffen würde. Er war da noch kein Kickers-Trainer, sondern „nur“ Unterstützer einer Idee. Er, der beim FWK in der Jugend kickte, es mit den Rothosen bis in die damals drittklassige Bayernliga schaffte, er wollte einfach helfen, weil ihm die Heimat auch nach zwei Jahrzehnten Profifußball-Geschäft als Spieler und Trainer immer wichtig war: „Wenn es die Zeit zulässt, bin ich bei meiner Familie, bei meinen Eltern. Würzburg wird immer meine Heimat sein.“
Wer weiß, wie schwer es ist, 100 Mark zu verdienen, der weiß, dass es uns im Profifußball allen sehr gut geht.
Bernd Hollerbach
Bernd Hollerbach hat seine Wurzeln nie verleugnet, hat sich nie verbiegen lassen. Hollerbach war Hollerbach. Ehe es ihn 1991 zum FC St. Pauli verschlug, absolvierte er seine Lehre als Metzger mit Auszeichnung, war Bayerns Bester. „Wer weiß, wie schwer es ist, 100 Mark zu verdienen, der weiß, dass es uns im Profifußball allen sehr gut geht“, hat er mal gesagt und mit einem Satz ausgedrückt, wie er tickt. „Wir dürfen nie vergessen, wo wir herkommen“, betonte er auch in Momenten des größten Erfolges. Als er im ersten Profi-Jahr mit dem FC St. Pauli die Bayern bezwang, mit dem HSV in der Champions League beim 4:4 gegen Juventus Turin eine legendäre Schlacht schlug oder er als Co-Trainer mit dem VfL Wolfsburg Deutscher Meister wurde. Holler war Holler. Nicht immer bequem, dafür ehrlich und vor allem eines: geradeaus.
Er war immer der Überzeugung, dass derjenige, der fleißig ist, am Ende auch für seinen Einsatz belohnt wird. So hat Hollerbach gearbeitet – als Spieler einst ebenso wie jetzt als Trainer. Der wurde er bei den Kickers im Frühjahr 2014, „weil ich den Plan, den Thorsten Fischer gemacht hat, realistisch finde. Es ist nicht bei einer Vision geblieben, sondern eine auch wirtschaftlich fundierte Strategie entwickelt worden“, sagte Hollerbach – und trotzdem gab es nicht wenige, die das 3x3-Projekt „In 3 Jahren in die 3. Liga“ noch vor dem Start als gescheitert ansahen.
Hollerbachs besondere Dankbarkeit
Hollerbach arbeitete zielorientiert und hart, er wurde auf Anhieb Regionalliga-Meister mit einem von ihm zusammengebastelten Kader. Dennis Schmitt war der erste Spieler, den Hollerbach seinerzeit überzeugen konnte, sich mit einer Vertragsunterschrift zu diesem ambitionierten Projekt zu bekennen. Am vergangenen Sonntag in Stuttgart, seinem letzten Pflichtspiel als Cheftrainer, zahlte er zurück. Um 17.03 Uhr schloss sich der Kreis, Hollerbach schickte Schmitt aufs Feld – sein Zweitliga-Debüt vor 60.000 Zuschauern in der ausverkauften Mercedes-Benz-Arena. Für Hollerbach drückt sich Dankbarkeit so aus.
Dazwischen aber lagen ganz viele Augenblicke, die Erinnerungswert ohne Halbwertszeit besitzen. Gänsehaut-Momente wie der Elfmeter-Krimi im Aufstiegsrückspiel zur 3. Liga gegen den 1. FC Saarbrücken, der DFB-Pokal-Coup gegen Fortuna Düsseldorf, das unglaubliche Drittliga-Jahr mit der Krönung durch den Aufstieg in der Relegation gegen den MSV Duisburg. Es sind nur ein paar wenige von unendlich vielen Stationen auf dem Weg, den Hollerbach mit den Kickers beschritten und jetzt selbst beendet hat.
Dem Plan immer voraus
Hollerbach war dem ehrgeizigem Plan immer voraus: Aus 3x3 wurde ein 2x2 – die Kickers schafften es binnen zwei Jahren aus der Regionalliga in die 2. Liga. Und das mit bescheidenen Mitteln und ohne wirtschaftliches Risiko. „Ich werde hier keinen Scherbenhaufen hinterlassen“, hat Hollerbach immer dann gesagt, wenn im Sport die Mechanismen griffen und der Ruf nach Spieler-Transfers im Umfeld laut wurde: „Würzburg ist meine Heimat, ich habe dem Verein den Sprung ins Profi-Geschäft zu verdanken. Meine Eltern haben hier einen Betrieb, da mache ich kein Harakiri.“ Hollerbach ist sich treu geblieben – und wer ihn nach dem Schlusspfiff des Relegationsrückspiels in Duisburg sah, der blickte in ein Gesicht, in dem sich Freude und Sorge trafen. „Wie soll ich das jetzt bloß schaffen“, hat er später mal gestanden: „Mir war Himmelangst.“
Denn wieder hatte der Trainer keine Zeit, sich auf das einzustellen, was er sich da selbst „eingebrockt“ hatte: Er war zu schnell, der sportliche Erfolg machte ihm die Planungen immens schwer – die schwierigen infrastrukturellen Bedingungen akzeptierte er. "Kein zweiter Trainer hierzulande, würde sich so etwas antun", sagte Vorstandsvorsitzender Daniel Sauer erst vor ein paar Wochen.
Wir sind noch lange nicht durch!
Bernd Hollerbach nach der Zweitliga-Hinrunde
Der Sportdirektor und Cheftrainer in Personalunion aber stellte wieder ein Team zusammen, das Feuer entfachte und die Gier der Menschen in der Region nach Zweitliga-Fußball stillte. Eine famose Zweitliga-Hinrunde reichte letztlich nicht – Hollerbach ahnte das, wohl kein zweiter Trainer hätte bei 27 Punkten und Rang sechs zu Weihnachten gesagt, „dass wir noch eine schwere Zeit vor uns haben. Wir sind noch lange nicht durch.“ Hollerbach sollte Recht behalten, obwohl er in diesem Falle ganz gewiss eine Fehleinschätzung eingeräumt hätte. Der 47-Jährige war nie ein Freund von Superlativen – weder in die eine, noch in die andere Richtung. Ihm war es viel wichtiger, das große Ganze im Auge zu behalten und entsprechend einzuordnen. Oberflächlichkeit und Momentaufnahmen mit extremen Ausschlägen waren nie sein Ding.
Sein bodenständiges „Wir wissen, wo wir herkommen“ wird nicht nur den Kickers fehlen. Diese fünf Worte, diese 23 Buchstaben waren sein Markenzeichen. Nicht aufgesetzt, einfach nur authentisch. Mach’s gut, Holler - Wir wissen, was wir Dir zu verdanken haben!