Hinter den Kulissen des FWK: Der Herr der Dinge
Zwischen Mannschaftskabine, Waschgängen und purer Leidenschaft - Ein "Spieltag" im Leben von Klaus Orner, Zeugwart des FC Würzburger Kickers.
Samstag, Punkt 14:00 Uhr in der Würzburger FLYERALARM Arena: Die Vereinshymne dröhnt aus den Lautsprechern, das Flutlicht durchbricht den bewölkten, grauen Himmel. Rotweiße Fahnen schwingen durch die Luft, Fangesänge werden angestimmt. Der schrille Pfiff aus der Pfeife des Schiedsrichters durchdringt den Gesang und gibt das Signal zum Anstoß. Für Klaus Orner war der Anpfiff allerdings schon gut 24 Stunden zuvor hörbar.
Freitagnachmittag auf dem Stadiongelände: Ein junger Mann mit dunklen, kurz gestutzten Haaren steht im schwarzen Trainingsanzug vor einer Glastüre am Gebäude hinter dem Block 1. Auf der Hose sind die Initialen „K. O.“ in weiß aufgedruckt. Er sieht durch seine schwarzumrahmte Brille in den trüben Himmel über der Tribüne. Inzwischen hat es aufgehört zu regnen, schmuddelig und nass ist es dennoch. „Dann mal los!“ lautet das selbsterteilte Startkommando. Damit geht es ab ins Warme. Der Innenbereich, in dem sich Kabinen, Wasch- und Materialraum befinden. Kurz: Der Arbeitsplatz von Klaus Orner, Zeugwart der Würzburger Kickers. Zunächst geht es scharf nach links in den kleinen Waschraum. Ein Stapel blauer Handtücher mit weißem Schriftzug des Ausrüsters landet in einer der beiden gigantischen, blaugrauen Industriewaschmaschinen. Die zweite wird mit einer Ladung roter Trainingsklamotten beladen. Auf der Waschmaschine links neben dem Eingang hängt ein Zettel mit der Aufschrift „Obstbestellungen“ und einer Telefonnummer. „Das habe ich bereits erledigt. Gehört auch zu meinem Aufgabenbereich“, heißt es von dem schlanken, jungen Mann im Trainingsanzug. Der angesprochene Aufgabenbereich ist überaus vielschichtig: Vom Klamottenwaschen bis hin zum Aufrechterhalten der Mannschaftsstimmung gehören etliche Aufgaben dazu.
Was da inzwischen alles dahintersteckt, kann man sich gar nicht vorstellen.
FWK-Zeugwart Klaus Orner
In der Regionalliga hatte Klaus den Job des Zeugwarts noch nebenher betrieben. Seit dem Aufstieg in die dritte Liga ist er festangestellt. Denn die Arbeit wurde immer mehr: „Was da inzwischen alles dahintersteckt, kann man sich gar nicht vorstellen“, sagt der 28-Jährige über seinen Job bei den Rothosen. Dementsprechend ist ein durchstrukturierter Tagesablauf unabdingbar.
Während die Waschmaschinen auf Hochtouren laufen, geht es in den Materialraum am Anfang des Kabinengangs. Hinter milchigen Glastüren lagert hier alles was der Zeugwart für seine Arbeit benötigt. Bestens gekennzeichnet türmen etliche Plastikboxen, Körbe und Kisten in zwei großen Regalen. Über farblich sortierte Ersatzhosen, Stutzen und Trikots, bis zur Ausrüstung der Torhüter hat jedes Teil seinen Platz. Auch ein, mit zwei großen Alukisten beladener, Rollenwagen steht bereit. Er wird in die Mannschaftskabine am Ende des langen Gangs geschoben. Nun geht die Arbeit richtig los: Nach und nach werden die leeren, grauen Sitzbänke der Kabine vom Zeugwart in strahlendem rot eingefärbt. Hosen, Shirts, Pullis und Stutzen verleihen dem Raum Farbe. Die aufgeklebten Trikotnummern über den Sitzbänken benötigt Klaus nicht. Er weiß auch so, welcher Spieler wo sitzt. Während gerade das letzte Paar Stutzen sorgfältig an seinen Platz gelegt wird, piepst es aus dem Waschraum: Die Handtücher sind fertig. Noch schnell in den Trockner, bevor sie auf Kleiderstangen über den Sitzbänken platziert werden. Hinzu kommen noch die Trikots, bis die Kabine völlig in den rotweißen Vereinsfarben erstrahlt. Klaus zupft Etiketten ab und hängt die Jerseys an die Wandhaken.
Ein Gemälde für jeden Kickers-Fan. Gemalt vom Zeugwart.
Die letzten Farbtupfer setzt er mit den Fußballschuhen der Akteure. Zwei Kisten in der Mitte des Raums werden geöffnet. Die Kabine erfüllt sich innerhalb weniger Minuten mit einem unverwechselbar markanten Geruch. Ein Duft-Mix aus nassem Gras, Fußschweiß und feuchtem Leder breitet sich aus. Die Schuhe wurden noch am Mittag während der Trainingseinheit getragen und gewaschen. Oder auch nicht gewaschen. Das überlässt der Zeugwart den Spielern selbst: „Ein bisschen müssen sie schon auch selber machen. Manch einer putzt seine Schuhe einfach gar nicht. Das ist aber deren Sache, da mische ich mich nicht ein“, schmunzelt der schlanke Betreuer mit dem dunklen Dreitagebart. Er zieht einen ungeputzten Schuh aus der Kiste. Überreste von Rasen und Erde kleben zwischen den Metallstollen: „Das ist so ein Kandidat“, lacht der junge Zeugwart und stellt die Schuhe an den passenden Platz. Inzwischen ist es 18:30 Uhr. Doch für Klaus Orner geht es noch nicht nach Hause. Während sonst niemand mehr auf dem Vereinsgelände zu sehen ist, wirft er den nächsten Stapel Klamotten in die Waschmaschine.
Der eigentliche Spieltag geht für den Zeugwart schon früh morgens los. Bereits ab acht Uhr werden letzte Handgriffe getätigt, bevor die Mannschaften ankommen. Jeder Spieler bekommt eine Wasserflasche an den Platz, der Ball für das Einlaufen wird penibel im Wachbecken der Kabine gesäubert und anschließend aufgepumpt, die Torhüter bekommen ihre Handschuhe bereitgelegt. Schienbeinschoner und Badeschlappen kommen auf die Sitzbänke, die Obstkörbe werden aufgefüllt, ein Föhn wird an seinen Platz in der Kabine gelegt. Dabei muss er grinsen: „Ich lege ihn jedes Mal genau an die selbe Stelle und jedes Mal fragt irgendeiner der Jungs, wo denn der Föhn sei“. Zu guter Letzt rollt er die hüfthohe, pechschwarze Musikanlage in die Kabine und startet einen Testlauf. Der kräftige Bass hämmert durch den Gang bis in den Eingangsbereich. Klaus schaut zufrieden. Alles funktioniert.
Neben der Kabine füllt sich nun ebenso der Kabinengang. Auch Rosi Orner kommt an. Mit dunkelbraunem Bobschnitt, dezenter Brille und herzlichem Lächeln auf den Lippen. Ein Küsschen links, ein Küsschen rechts und eine liebvolle Umarmung für die Mutter des Zeugwarts, die ihn bei seinen Aufgaben unterstützt. Die beiden sind ein eingespieltes Team und spürbar wichtig für das Vereinsumfeld. Permanent wird nach ihnen gefragt und sich über ihre Unterstützung gefreut. Eine Umarmung von und für Rosi hier, ein herzliches „Danke!“ für Klaus da. Alle im Verein können sich auf die zwei Betreuer verlassen. Verlass sei auch untereinander für ihre Arbeit extrem wichtig, so die beiden leidenschaftlichen Kickers. Denn nur so sei die zeitintensive Tätigkeit zu bewältigen.
Während die Betreuer schon rege durch die Gänge wuseln, kommen auch die Mannschaften in den Katakomben an. Es wird abgeklatscht, kräftige Bässe aus der Musikanlage brummen durch den Gang und prompt verschwindet der Zeugwart in der Kabine. Doch kommt schon gleich wieder heraus. Es geht schnurstracks in den Materialraum um etwas zu holen, dann wieder in die Kabine. Wenige Augenblicke später geht die Tür wieder auf, diesmal geht es in Richtung Waschraum. Mit einem lockeren Lächeln im Gesicht und einem „Alles entspannt“ auf den Lippen geht es hin und her, bis das Spiel angepfiffen wird.
Das ist meine Heimat. Das ist mein Verein.
FWK-Zeugwart Klaus Orner
Eine kurze Verschnaufpause für den Zeugwart, bevor es zehn Minuten vor Halbzeitpfiff zurück in die Kabine der Rothosen geht. Diese gleicht einem Schlachtfeld. Shirts und Schuhe liegen kreuz und quer auf dem Boden verteilt. Der nächste Arbeitssprint steht an: Klamotten einsammeln und ab in die Waschmaschine damit. Dann noch schnell die Trikots für die zweite Halbzeit herrichten.
In dieser geht es etwas entspannter zu. Auch weil schon alles perfekt vorbereitet ist, als die Spieler in die Kabine kommen. Nachdem die Mannschaft wieder auf dem Spielfeld ist, kickt der tiefenentspannte Zeugwart mit zwei Jungs des Jugendteams vor dem Waschraum locker umher. Denn er ist nicht nur Zeugwart, sondern auch selbst begeisterter Fußballer: „Ich habe selbst seit der Jugend für die Kickers gespielt. Ich bin Würzburger. Das ist meine Heimat. Das ist mein Verein“, sagt er stolz.
Nach 90 Minuten ist dann auch das letzte Spiel der Hinrunde erfolgreich mit 2:0 gewonnen. Von Spielern und Trainern ist eine Stunde nach Abpfiff nicht mehr viel zu sehen. Doch ein junger Mann im dunklem Trainingsanzug, mit den aufgedruckten Initialen „K. O.“, streift noch durch die Gänge. Rein in die Kabine, die im Laufe des Spiels etwas von ihrem rotweißen Glanz des Vortags verloren hat. Nasse Handtücher liegen auf dem Boden, leere Plastikflaschen kreuz und quer. Es geht ans Aufräumen und Waschen.
Mittlerweile ist es bereits sechs Uhr abends, doch im Waschraum brennt noch immer Licht. Klaus Orner blickt durch die Glasfront nach draußen auf den Rasen und zieht sein Tagesresultat: „Heute gings eigentlich. Es war echt entspannt“, sagt er augenzwinkernd. Denn lange Tage sind für den jungen Zeugwart keine Seltenheit und gehören eher zum Alltag als zur Ausnahme. Die Stadionbeleuchtung ist erloschen, die Fangesänge verstummt, der Nachthimmel schwarz. Doch während Trainer, Spieler und Fans dann schon lange zu Hause sind, ist der Spieltag für den Herrn der Dinge noch lange nicht abgepfiffen.
Eine Reportage von Manuel Hollenweger