Endlich angekommen: Tobias Kraulich hat seinen Weg bei den Kickers gefunden
Tobias Kraulich ist angekommen. Nicht nur pünktlich am Treffpunkt, sondern auch bei den Kickers. Später als erhofft, aber dennoch rechtzeitig. Kältekammer und sportliche Hürden hat er dafür bewältigt und gehört seit Wochen zum festen Stammpersonal der Mainfranken. Wäre die sportliche Situation nicht, wäre der 22-Jährige wohl rundum zufrieden. Schließlich fühlt er sich nicht nur auf dem Platz pudelwohl, sondern auch an der kleinen, aber feinen Stadt am Main.
Und genau an diesem, besser über diesem, beginnt unser kleiner Stadtspaziergang. „Die alte Mainbrücke ist einer meiner Lieblingsplätze. Ich liebe den Ausblick auf die Festung und in die Weinberge. Immer, wenn ich Besuch bekomme, gehen wir hierher“, schwärmt der gebürtige Erfurter von seiner Wahlheimat. Aber auch der Vierröhrenbrunnen, die verwinkelten Gässchen oder der Marktplatz, an dem wir uns dann in ein Café setzen, haben es ihm angetan. „Ich lebe sehr gerne hier“, sagt der Defensivspezialist.
Am Hubland hat er sehr schöne Bleibe gefunden mit einem schnuckligen Balkon, übernommen vom ehemaligen Kickers-Profi Johannes Kraus. Eingerichtet hat er sie ganz im Kraulich-Stil: Gemütlich. Der bekennende Hoodie-Fan fühlt sich wohl. Das ist ihm anzusehen und anzumerken: „Es war die richtige Entscheidung hierherzukommen.“ Die sehr gute Atmosphäre in der Mannschaft trägt ebenfalls zu Kraulichs gutem Grundgefühl dabei. Als „menschlich überragend“ beschreibt er die Gruppe, in der es „untereinander einfach passt“. Er habe jeden Tag Bock auf Training, einerseits der Jungs wegen, andererseits ob der fordernden Einheiten. Zudem gehört Kraulich nun zu den festen Größen.
Frustabbau im Fitnessstudio
Ein Status, den sich der 22-Jährige hart erarbeitet hat. Von Michael Schiele verpflichtet kam er in den ersten Pflichtspielen zu seinen ersten Einsätzen in Pokal und Liga. Es schien wie erhofft zu laufen. „Für mich ging ein Traum in Erfüllung. Der Start war sehr gut. Doch dann kam der Trainerwechsel – und der war mein Genickbruch“, blickt Kraulich enttäuscht zurück. Ihm war bewusst, dass seine Spielzeit nach dem Aufstieg geringer werden würde als das möglicherweise in der 3. Liga gewesen wäre. Aber derart wenig. Damit hatte er nicht gerechnet. Zu Marco Antwerpen hatte er keinen Draht gefunden, weder sportlich noch menschlich. Oftmals musste er auf dem Nebenplatz trainieren. Eine mental sehr schwierige Situation. Erst mit Bernhard Trares, der sein Selbstvertrauen aufpeppelte, stieg die Laune und auch der Trainingseifer war wieder auf gewohntem Niveau. Die Spielzeit aber indes nicht. „Es war ein sehr schwieriges Dreivierteljahr, in dem ich oftmals im Fitnessstudio Frust abgebaut habe. Aber meine Unnachgiebigkeit hat sich letztlich gelohnt“, sagt der gebürtige Erfurter heute.
Ralf Santelli setzte auf den groß gewachsenen Linksfuß und Kraulich war fortan fester Bestandteil der Viererkette. „Er hat mir die Chance gegeben und ich habe sie genutzt“, ist er dem heutigen LZ-Leiter noch immer dankbar. Auch unter Torsten Ziegner spürt er das nötige Vertrauen, selbst wenn die Vorbereitung unerwartet verlief. Zu Saisonbeginn fand er sich nämlich auf der Bank wieder – und nicht auf dem Feld. „Ich war sehr ambitioniert und motiviert. Dementsprechend bin ich aus dem Urlaub gekommen. Aber die anderen haben es in dieser Phase sehr gut gemacht und haben zurecht gespielt“, ist Kraulich ehrlich. Erst gegen den SC Freiburg stand er erstmals von Beginn auf dem Rasen.
Vom Stürmer zum Defensivspezialist
Genau dort, wo er auch bei seinen vorherigen Stationen nicht wegzudenken war. Sowohl bei Rot-Weiß Erfurt als auch bei der U23 des 1. FC Nürnberg zählte Kraulich zu den Leistungsträgern. Zu Beginn seiner Karriere allerdings nicht in der Defensive, sondern in der Offensive. Bis zur U17 war der Thüringer, der bis 2014 bei seinem Heimatverein Empor Erfurt kickte, nämlich derjenige, der für die Tore sorgte. „Ich habe den Ball meist mit dem Rücken zum Tor bekommen, habe mich gedreht und dann getroffen. Das waren meine Tore“, erinnert er sich. 14 in zwölf Partien hatte er noch in der Hinrunde der U17 geschossen, ehe er aufgrund seiner Größe in die defensive Mittelfeldzentrale der U19 beordert wurde, die damals in der Bundesliga spielte. „Dort ging es um Verteidigen, Zweikampfstärke, Kopfballspiel. Wir konnten offensiv kaum Akzente setzen“, erzählt Tobias Kraulich. Nur einmal durfte er nochmals im Sturm ran. Ausgerechnet im Derby gegen Carl Zeiss Jena, in dem er prompt zum 2:1 traf. Sein bis heute letzter Einsatz in vorderster Front. Auch bei den Profis war er für das Verhindern von Toren zuständig. Schon mit 18 feierte Kraulich sein Debüt in der 3. Liga, ehe die Rot-Weißen insolvent gingen und er nach Nürnberg weiterzog.
„Die letzten Monate in Erfurt waren sehr schwierig. Ich habe mein Abitur gemacht, im Verein stand das Sportliche nicht mehr im Vordergrund. Das war traurig. Daher war frühzeitig klar, dass ich gehe. Die Nürnberger Verantwortlichen haben frühzeitig Interesse gezeigt und wollten mich unbedingt haben. Wir sind uns dann sehr schnell einig geworden“, blickt Kraulich zurück. Erstmals kickte er außerhalb seiner Heimatstadt. Ein wichtiger Schritt. Seine Trainer Reiner Geyer und später Marek Mintal schätzten die ruhige Spielweise des extrovertierten Defensivspezialisten. Kraulich gehörte schnell zu den Leistungsträgern, trug sogar mehrmals die Kapitänsbinde einer Mannschaft, die sowohl sportlich als auch menschlich sehr gut harmonierte.
"Eigentlich nur aufs Parkett bringen"
„Die Rahmenbedingungen waren aufgrund der Profi-Mannschaft überdurchschnittlich für Regionalliga. Wir hatten zudem eine sehr gute Truppe mit herausragenden Typen. Das hat einfach Spaß gemacht, vor allem weil wir auch außerhalb des Platzes sehr viel miteinander unternommen haben“, beschreibt Kraulich die Zeit in Nürnberg. Ähnliches hält er auch mit den Kickers für möglich. Allerdings fehlt dazu noch der sportliche Erfolg. Aber der – davon ist der 22-Jährige felsenfest überzeugt – wird sich zeitnah einstellen. Denn die Mannschaft habe mindestens das Potenzial, um im Mittelfeld zu landen. Sie müsse es eigentlich nur aufs Parkett bringen.